31. Juli 2012
Ganz schön überkandidelt: Karin Park
»Es war ein schöner Tag, der letzte im August«, sang Peter Maffay vor vielen Jahren. Heute ist der letzte Tag im Juli, und dennoch fröstelt man, zieht sich die leichte Wolljacke über und schaut dem Mond beim Aufgehen zu. Und zur kleinen Gänsehaut passen die kühl glitzernden und latent bedrohlichen Songs der schwedischen Chanteuse Karin Park bestens, deren eigenwillig-nasale Stimme so wunderbar leicht neben der Kappe klingt. Ein wenig Dekadenz schadet nie zur mittelspäten Abendstunde, vor allem dann nicht, wenn uns Karin Park auf auf hochartifizielle Weise ganz unmerklich auf Abwege führt.
Die blasse Frau mit den rabenschwarzen Haaren hat Spaß am Spiel mit den Geschlechterrollen und wird Mitte August ihr viertes Album »HIGHWIRE POETRY« herausbringen. Sie lebt darauf ihre dunkle Seite mit hohem Gespür für das Erschaffen beunruhigender elektronischer Kunstmärchen aus. Und will mit diesen stets leicht überspannt wirkenden elektronischen Klangspielereien trotzdem ganze Clubs zum Tanzen bringen! Die Künstlerin aus dem schwedischen Norden hat sich mit ihrem Bruder und musikalischen Mitstreiter in die alte Dorfkirche im Örtchen Djura zurückgezogen, also genau in die engstirnige und streng religiöse Provinz, in der sie aufgewachsen und der sie beherzt entkommen ist. Auch eine Art der Teufelsaustreibung! Wo sie sich genau verortet, lässt sie lieber offen: Irgendwo zwischen 80er-Schwarzjoppen-Pop, End-70er-Synthe-Exzessen und tribalen Klängen, experimentellem Hexenwerk (wie in der dezidiert gruseligen Schauemär »6000 Years«, die auch bei den finnischen Gesinnungsgenossen Eleanoora Rosenholm gut aufgehoben wäre), aber auch in den stylishen Klangwelten von Heroinen wie Fever Ray, zu deren Songs sich bestens frösteln lässt.
Mit leicht verdaulicherem, auf Hochglanz polierten Club-Stückchen wie »Restless« flirtet die Park mit dem Mainstream, und schafft es trotzdem, das Klischee der düsteren Elektronik-Domina mit einer Überdosis Überkandideltheit zu brechen. Die Produzenten Barry Barnett und Christoffer Berg, die einst mit The Knife an Songs bastelten, haben hier Spuren hinterlassen. Interessant wird es hier aber immer dann, wenn die nasale Stimme der Chanteuse fast ins Lächerliche kippt, man ihr dringend ein Taschentuch zum Schneuzen geben möchte, und sich dabei hinterrücks absonderliche elektronische Störgeräusche aus dem Unterholz anschleichen, bis einem die Ahnung beschleicht, dass all diese Gothic Tales, die seit hunderten von Jahren im europäischen Unterbewussten herumgeistern, nichts an Verängstigungspotenzial veroren haben. Doch darüber redet man besser nicht zu laut. Man könnte ja etwas wecken, was besser weiterschlummern sollte.